Zu Internet und Reality-TV forschen – Im Gespräch mit Fernsehwissenschaftlerin Joan Bleicher
Als ich in der Schule war, fand ich Universitäten immer extrem beeindruckend.
Ein Ort, wo jeden Tag neues Wissen produziert wird und wo man jeden Tag das lernen kann, was man will – hört sich wie das Paradies an! Die Professoren, die dazu beitragen, fand ich dadurch ebenso bewunderungswert.
Natürlich weiß ich jetzt, dass es nicht so einfach ist – Universität bedeutet auch Stress und harte Arbeit. Zum Glück ist aber meine Begeisterung mit der Institution der Akademie und die Leute, die dort arbeiten, nicht verschwunden.
Um mehr zu erfahren, wie es ist, an einer Universität zu unterrichten, habe ich meine Professorin an der Uni Hamburg Dr. Joan Bleicher interviewt und sie hat mir über ihren Werdegang und das Spannende an einer Wissenschaftlichen Karriere erzählt.
Joan Kristin Bleicher – von der Literaturwissenschaft zu der Fernsehwissenschaft
Studiert hat Bleicher in Siegen, ihren Magister schließt sie in 1985 im Fach allgemeine Literaturwissenschaft, Anglistik/Amerikanistik und Germanistik ab. Damals wusste sie auch schon, dass sie promovieren wollte. Fernsehwissenschaft war zu der Zeit ein noch sehr junges Gebiet, sodass sie das Angebot annahm, als in der Universität eine Stelle in dem Bereich frei wurde. Seitdem hat sie sich darin vertieft, heutzutage liegen ihre Forschungsschwerpunkte im Bereich der Fernsehgeschichte, Bildschirmmedien und Wechselwirkung zwischen Fernsehen und Internet.
Das bedeutet dadurch auch, dass Reality TV-Formate wie „Der Bachelor“ und Youtube-Stars wie Bibi von „Bibi’s Beauty Palace“ Teil von ihrem Arbeits- und Forschungsalltag sind.
Jeden Tag Kontakt zu Medienprodukten – macht es trotzdem Spaß, sie anzugucken?
„Fernsehwissenschaftler müssen immer auch Fan sein“.
Das erzählte ihr einmal der Kollege Horace Newcomb, ein US-Amerikanischer Fernsehwissenschaftler und sie stimmt ihn zu.
„Man hält es sonst nicht aus, weil man so viele Sendungen schauen muss“, hat sie mir berichtet. Langweilig wird es aber trotzdem nicht.
„Medienangebote differenzieren sich immer weiter. Erstmal gab es zum Beispiel nur "Der Bachelor", jetzt kommen das Format „Bachelor in Paradise“ und andere Varianten hinzu. Es ist immer spannend zu gucken, wie diese Ausdifferenzierung sich vollzieht.“ Durch die neuen Trends ist Vielfalt also sehr vorhanden.
Apropos Vielfalt: die Abwechslung ist auch das, was Bleicher am spannendsten in der Wissenschaft findet. Das Forschen und das Schreiben machen ihr am meisten Spaß, aber auch die Lehre gefällt ihr.
„Ich lerne im Seminar sehr viel von meinen Studenten. Sie zeigen mir neue Stars und Videogenres, auch weil sie Kontakt zu ganz andere Sachen haben als ich. Dadurch kann ich meine Forschung mit der Lehre sehr gut integrieren“, erzählt sie.
Nachteile seien für sie, dass man viel mit Hochschulverwaltung zu tun hat, und Fragen wie Hochschulfinanzierung ein Problem seien.
„Man ist Mitteltechnisch und Ausstattungstechnisch sehr stark eingegrenzt und muss sehr viele Verwaltungsaufgaben übernehmen, was bei anderen Berufen vielleicht anders ist.“
Sparpolitiken, Leistungsdruck und wenig Forschungsfreiheit
Hochschulpolitik, ein schwieriges Thema in Deutschland. Viele Hochschulen beschweren sich über Unterfinanzierung und Leistungsdruck. Das sieht Bleicher als sehr problematisch:
„Der Leistungsdruck ist auf jeden Fall vorhanden und vor allem versteht man Wissenschaft immer mehr als Wirtschaft, so dass Drittmittel erworben werden müssen und allgemein eine ökonomische Ausrichtung stattfindet. Die Freiheit von Forschung und Lehre verschwindet zunehmend.”
Eine Diagnose, die auf jeden Fall Sorge macht.
Trotzdem hat sie noch viele Ziele für die Zukunft: sie will noch viele weitere Bücher schreiben. Veröffentlicht hat sie schon um die dreizehn Werke, momentan arbeitet sie an einem Buch zum Thema Internet-Fernsehen.
Ich wünsche ihr auf jeden Fall noch viel Erfolg in ihrer wissenschaftlichen Karriere!
Wissenschaft finde ich ein sehr spannendes Thema und ich bin immer wieder überrascht, was es für vielfältige und interessante Forschungsgebiete es gibt. Bis zum nächsten Beitrag!
Autorin: Camila Franco Weiss - PASCH-Alumna aus Brasilien